Verfahrensdokumentation

Was versteht man unter einer Verfahrensdokumentation? Wie sieht ein Musterdokumentation aus?

Was sind die Grundsätze ordnungsgemässer Buchführung? Was sind die Rahmengrundsätze?

Obwohl das HGB die Beachtung der Grundsätze ordnungsgemässer Buchführung vorschreibt, wird im Gesetz nicht definiert, was die GoB sind – es ist somit ein unbestimmter Rechtsbegriff, der erst mit Inhalt gefüllt werden muss. Bei den GoB – auch für die Verfahrensdokumentation – handelt es sich um allgemein anerkannte Regeln zur Buchführung und Bilanzierung, die auf Basis des Gesetzes insbesondere von der Rechtsprechung, Wissenschaft, Praxis und den Verbänden (z. B. IDW und DRSC) entwickelt wurden. Einige Grundsätze sind im HGB verankert, andere nicht.

Die GoB sollen helfen, gesetzliche Vorschriften auszulegen, aber auch Gesetzeslücken zu füllen, so dass auch bei fehlenden Vorschriften zu einzelnen Fragestellungen eine ordnungsmäßige Buchführung und Bilanzierung gewährleistet ist. Die Grundsätze lassen sich in Rahmen- und Abgrenzungsgrundsätze als auch allgemeine und ergänzende Grundsätze untergliedern.

Die GoB dürfen nicht mit den von der Finanzverwaltung mit veröffentlichten „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“ verwechselt werden. Die GoBD stellen eine Verwaltungsanweisung für steuerliche Zwecke dar. Demgegenüber gelten die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB), die Gegenstand dieses Stichworts sind, für den Jahresabschluss.

GobD: Richtigkeit und Willkürfreiheit

Die Buchführung muss „richtig“ vorgenommen werden (§ 239 Abs. 2 HGB). Das bedeutet, dass die Einträge objektiv, nachprüfbar und den Tatsachen entsprechend willkürfrei vorgenommen werden.

GobD: Klarheit und Übersichtlichkeit

Der Jahresabschluss muss klar und übersichtlich aufgestellt werden (§ 243 Abs. 2 HGB). Dies beinhaltet eine übersichtliche Gliederung sowie eindeutige Bezeichnungen für die einzelnen Jahresabschlussposten. Insbesondere bei der Gliederung stellt sich die Frage der Gliederungstiefe. Für Kapitalgesellschaften bestehen über die Gliederungsschemata zur Bilanz sowie zur GuV gesetzliche Vorgaben (§§ 266275 HGB), die Ausstrahlungswirkung für alle Kaufleute haben.

GoBD: Vollständigkeit

Die Buchführung muss vollständig sein, d. h. alle buchungsfähigen und -pflichtigen Geschäftsvorfälle des Geschäftsjahres müssen erfasst werden. Zudem müssen grundsätzlich sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten, die am Stichtag bestehen, sowie Erträge und Aufwendungen des Geschäftsjahres im Jahresabschluss enthalten sein.

Was sind die steuerlichen „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“?

Nach § 140 AO sind die außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, auch für das Steuerrecht zu erfüllen. Außersteuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben sich insbesondere aus den Vorschriften der §§ 238 ff. HGB und aus den dort bezeichneten handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Für einzelne Rechtsformen ergeben sich flankierende Aufzeichnungspflichten z. B. aus §§ 91 ff. Aktiengesetz, §§ 41 ff. GmbH-Gesetz oder § 33 Genossenschaftsgesetz.

Steuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben sich sowohl aus der Abgabenordnung (z. B. §§ 90 Absatz 3, 141 bis 144 AO), als auch aus Einzelsteuergesetzen (z. B.§ 22 UStG, § 4 Absatz 3 Satz 5, § 4 Absatz 4a Satz 6, § 4 Absatz 7 und § 41 EStG).

Bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen in digitaler Form sind insbesondere die folgenden Anforderungen zu beachten:

  • der Grundsatz der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit sowie
  • die Grundsätze der Wahrheit, Klarheit und fortlaufenden Aufzeichnung: Vollständigkeit, Richtigkeit, zeitgerechte Buchungen und Aufzeichnungen, Ordnung und Unveränderbarkeit.

Der Grundsatz der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit (§ 145 Abs. 1 AO) verlangt, dass die angewandten Buchführungs- und Aufzeichnungsverfahren (z. B. mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme) so beschaffen sind, dass sich ein sachverständiger Dritter (insbesondere die Prüfungsdienste der Finanzverwaltung) in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Vermögens machen kann (progressive und retrograde Prüfbarkeit).

Die Betriebsprüfung muss somit in die Lage versetzt werden, die formelle und sachliche Richtigkeit eines DV-Systems in angemessener Zeit zu überprüfen.

Diese Prüfbarkeit bezieht sich nicht nur auf einzelne Geschäftsvorfälle (= Einzelprüfung), sondern auch auf das gesamte DV-System (= Verfahrens- oder Systemprüfung). Aus diesem Grunde muss für jedes DV-System eine übersichtlich gegliederte Verfahrensdokumentation vorhanden sein.

Die Verfahrensdokumentation beschreibt den organisatorisch und technisch gewollten DV-Prozess, d. h. von der Entstehung der Information über die Indizierung, Verarbeitung und Speicherung, dem eindeutigen Wiederfinden und der maschinellen Auswertbarkeit, der Absicherung gegen Verlust und Verfälschung und der Reproduktion.

Sie muss übersichtlich den Inhalt, Aufbau, Ablauf und die Ergebnisse des DV-Verfahrens abbilden. Je komplexer und diversifizierter die Geschäftstätigkeit und die Organisationsstruktur in einem Unternehmen und in seinen DV-Systemen sind, desto umfangreicher ist die Verfahrensdokumentation.

Somit muss der Betriebsprüfung zwingend eine aussagekräftige, vollständige und verständliche Verfahrensdokumentation zur Verfügung gestellt werden, die sämtliche aktuellen und historischen Systeminhalte für die Dauer der Aufbewahrungsfristen (bis zu zehn Jahre) nachweist und den in der Praxis eingesetzten Versionen der jeweiligen elektronischen Aufzeichnungssysteme entspricht.

Bei auf Datenträgern geführten Büchern und sonstigen Aufzeichnungen muss zudem sichergestellt sein, dass ein jederzeitiger Datenzugriff durch die Außendienste der Finanzverwaltung während der gesamten Dauer der Aufbewahrungsfrist möglich ist.

Der Umfang der erforderlichen Verfahrensdokumentation richtet sich nach der Komplexität des DV-Systems. Großrechnersysteme mit umfangreichen Datenbanktabellen und Datenbankprozeduren benötigen mehr Erläuterungen als z. B. kleinere elektronische Aufzeichnungssysteme, wie z. B. proprietäre Kassensysteme.

Unabhängig von der Form des eingesetzten DV-Systems ist der Steuerpflichtige grundsätzlich dafür verantwortlich, sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die der sachverständige Dritte (z. B. Betriebsprüfer der Finanzverwaltung) benötigt, um das DV-System zu verstehen.

Was sind die Inhalte einer Verfahrensdokumentation?

Für die Einhaltung der Ordnungsvorschriften des § 146 AO hat der Steuerpflichtige Kontrollen einzurichten, auszuüben und zu protokollieren. Hierzu gehören beispielsweise

  • Zugangs- und Zugriffsberechtigungskontrollen, auf Basis entsprechender Zugangs- und Zugriffsberechtigungskonzepte (z. B. spezifische Zugangs- und Zugriffsberechtigungen),
  • Funktionstrennungen,
  • Erfassungskontrollen (Fehlerhinweise, Plausibilitätsprüfungen),
  • Abstimmungskontrollen bei der Dateneingabe,
  • Verarbeitungskontrollen,
  • Schutzmaßnahmen gegen die beabsichtigte und unbeabsichtigte Verfälschung von Programmen, Daten und Dokumenten.

Die konkrete Ausgestaltung des Kontrollsystems ist abhängig von der Komplexität und Diversifikation der Geschäftstätigkeit und der Organisationsstruktur sowie des eingesetzten DV-Systems.

Allgemeiner Teil der Verfahrensdokumentation

Die allgemeine Beschreibung informiert über die allgemeine betriebliche Organisation und den betrieblichen Aufbau des Unternehmens, insbesondere z. B. über:

  • Ablauforganisation,
  • Anwendungsfeld des Kassensystems,
  • Aufbauorganisation,
  • Netzinfrastruktur,
  • Organigramm.

Anwenderdokumentation als Teil der Verfahrensdokumentation

ie Anwenderdokumentation gibt Auskunft über die fachlichen Prozesse, d. h. die Datenerfassung, Abstimmung, Prüfung und Ausgabe im Unternehmen. Dazu gehören:

  • Arbeitsanweisungen an das Personal,
  • Bedienungsanleitungen,
  • Benutzerhandbücher,
  • Programmierhandbücher,
  • Programmbeschreibungen wie Stammdatenverzeichnis (Aufbau, Eingabe und Funktion), Satzaufbau der Bewegungsdaten, Art und Wirkung von Umsatzsteuerschlüsseln (z. B. Modifier), Erfassungs-/Eingaberegeln, Beschreibung von Fehlermeldungen.

Technische Systemdokumentation als Teil der Verfahrensdokumentation

In der technischen Systemdokumentation sollten insbesondere erläutert werden:

  • Datenbankstrukturen,
  • Dokumentation über die Ersteinrichtung und spätere Änderung des Kassensystems,
  • Dokumentation über die maschinellen Kontrollen,
  • Dokumentation der Datenbankprozeduren und andere Verarbeitungsregeln,
  • Dokumentation über die Behandlung von Fehlern im System,
  • Inhalte der Datenbanktabellen,
  • Schnittstellen zu anderen Systemen.

Betriebsdokumentation als Teil der Verfahrensdokumentation

Die Betriebsdokumentation erläutert und dokumentiert zum einen die organisatorischen Abläufe im Betrieb, zum anderen die ordnungsgemäße Anwendung der DV-Systeme. Sie beinhaltet u. a.

  • Datenintegrität,
  • Datensicherungsverfahren,
  • Freigaben von neuen bzw. geänderten Programmen und Programmversionen,
  • Zugangsberechtigungen.

Was sind die Folgen einer fehlenden Verfahrensdokumentation bei einer Betriebsprüfung?

Lassen sich trotz fehlender oder unzureichender Verfahrensdokumentation problemlos progressive und retrograde Prüfungen durchführen, so dass die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtigt werden, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann.

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Ein formeller Mangel von sachlichem Gewicht und damit eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach sind gegeben, wenn die Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit eines DV-Systems nicht möglich sind, weil eine Verfahrensdokumentation fehlt oder lückenhaft oder für die Prüfer nicht verständlich ist.Der Inhalt des Artikels ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der Rechtsmaterie machen es notwendig, Haftung und Gewähr auszuschließen. Das Rundschreiben ersetzt nicht die individuelle persönliche Beratung.